Die Geschichte der Jakobikirche Chemnitz
Eine Geschichte über 800 Jahre
Die Jakobikirche ist neben den Bauten des früheren Benediktinerklosters auf dem Schloßberg das wertvollste Baudenkmal der Stadt Chemnitz aus vorindustrieller Zeit. Ihre kunstgeschichtliche Bedeutung reicht weit über Chemnitz hinaus. Seit der Gründung war St. Jakobi die Kirche des Rates und der Bürgerschaft und stellte bis zum 19. Jh. gemeinsam mit Rat- und Gewandhaus das geistigkulturelle Zentrum der Stadt dar.
Die hochgotische Hallenkirche mit Umgangschor entstand in mehreren Bauetappen zwischen 1350 und 1412 über den Fundamenten einer älteren romanischen Anlage. Diese konnten bei Grabungen nach 1945 ermittelt werden. Durch die Jahrhunderte hindurch haben verschiedene Umbauten das Erscheinungsbild der Kirche immer wieder verändert. Den gravierendsten Einschnitt bildete die Zerstörung am 5. März 1945. Zusammen mit der Chemnitzer Innenstadt sank auch die Jakobikirche in Schutt und Asche. Seit 1949 konnte der als Notkirche eingerichtete Chorraum wieder genutzt werden. Der Innenausbau des Langhauses zog sich mit langen Unterbrechungen bis zum Jahre 2009 hin. (Dr. Stefan Thiele)
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Wissens- und Sehenswertes
Die offene Vorhalle mit mächtigen Spitzbögen und Kreuzrippen- bzw. Sterngewölben diente in vorreformatorischer Zeit für verschiedene gottesdienstliche Zwecke: als Raum für Taufbewerber, für Büßer, möglicherweise auch für Trauungen usw. Sie wurde um 1400 in das bereits bestehende Kirchengebäude eingefügt. Das Hauptportal erhielt seine heutige neugotische Form um 1880, das Tympanonrelief mit der Darstellung von Christus und der Samariterin stammt von 1912.
Das Langhaus von St. Jakobi ist eine weiträumige Halle mit Kreuzrippengewölben über schlanken Achteckpfeilern. Die Seitenschiffe enden in Nebenapsiden, die weitgehend in ihrem gotischen Erscheinungsbild erhalten sind. Die Pfeiler und Gewölbe im Langhaus stellen dagegen eine Architekturkopie dar, denn wenige Wochen nach dem Brand 1945 stürzte das Langhaus zusammen. Von 1960 – 1974 hatte man Dachstuhl und Pfeiler wieder errichtet. Im Zuge der Wiederherstellung 2004 – 2009 konnte schließlich das Kreuzrippengewölbe rekonstruiert werden. Die Ausführung erfolgte in Draht-Putz-Technik (Rabitzkonstruktion). Außerdem wurde die provisorische Trennwand, die seit 1946 den Chor vom Langhaus trennte, entfernt und durch eine gläserne Abtrennung ersetzt. Beide Raumteile sind nun wieder als optische Einheit erlebbar, können jedoch unabhängig voneinander genutzt und beheizt werden. Für die Gewölbe des Mittelschiffes wurden neue Schlusssteine entworfen. Sie zeigen die Symbole der vier Evangelisten in moderner Formensprache.
Der Chorraum ist der architektonische Höhepunkt unserer Kirche. Nach böhmischen und süddeutschen Vorbildern wurde er zwischen 1405 und 1412 dem bereits bestehenden Langhaus angefügt. Mit seinen Pfeilern, den Netz- und Kreuzrippengewölben sowie dem prachtvollen Maßwerkfries unterhalb der Fenster bietet er eine Vielzahl von reizvollen Architekturmotiven. Dieser Fries mit seiner nahezu unerschöpflichen Fülle von phantasievollen Ornamenten ist in Deutschland einzigartig. Am Außenbau sind die reich verzierten Strebepfeiler beachtenswert, wie sie für die mitteldeutsche Kunst des 15. Jahrhunderts charakteristisch sind. Das Maßwerk der Fenster ist eine Neuschöpfung der Zeit um 1880. Nicht übersehen sollte man auch das kleine Portal an der Nordseite mit seiner reizvollen Umrahmung in Form von Blattwerk.
Der Glockenturm steht abgerückt vom eigentlichen Kirchengebäude und ist baulich mit dem Alten Rathaus verbunden. Als “Hoher Turm” entstand er im 12. Jahrhundert und wurde in den folgenden Jahrhunderten immer wieder umgebaut und erhöht. Neben seiner Funktion als Kirchturm diente er auch dem städtischen Türmer als Domizil. Seine heutige Gestalt mit barocker Haube und Laterne erhielt er nach einem Brand im Jahre 1746. Sie wurde nach der völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bis 1986 rekonstruiert. Im Turm hängt die große Glocke von St. Jakobi aus dem Jahre 1749. Sie kann im Rahmen von Rathaus- und Turmführungen besichtigt werden. Drei weitere Bronzeglocken (1966) sind im Dachreiter der Kirche untergebracht.
Der heutige Hochaltar war im Jahre 1504 für die Johanniskirche angefertigt worden. Die Schnitzfiguren stammen von Peter Breuer, während die Flügelgemälde durch Hans Hesse geschaffen wurden. Im Zentrum sehen wir den gekreuzigten Christus, begleitet von Maria und Johannes. Am Kreuzstamm kniet Maria Magdalena. Auf den Flügeln sieht man Darstellungen verschiedener Heiliger sowie kniende Stifterfiguren. Der schlechte Zustand der unteren Bildabschnitte ist auf eine Übermalung im 17. Jahrhundert zurückzuführen. Aus dieser Zeit stammen auch die Gemälde auf der Rückseite, wo man die Geburt Jesu und die Flucht nach Ägypten erblickt. Der Altar war im 18. Jahrhundert demontiert und die Einzelteile auf verschiedene Standorte verteilt worden. Nachdem die noch vorhandenen Fragmente 1969 restauriert und wieder zusammengefügt waren, erhielt er einen neuen Standort im Chor der Jakobikirche. Dort stand er bis zur Restaurierung des Hallenchores im Jahr 2011.
Eine weitere, aufwendige Restaurierung der Altarteile konnte 2015 abgeschlossen werden. Das Künstlerehepaar Lutzenberger überzeugte in einem einberufenen Künstlerwettbewerb mit seinem Entwurf zur Neugestaltung des Hesse-Breuer-Hochaltars. Seit Pfingsten 2018 steht nun der mittelalterliche Hesse-Breuer-Hochaltar im neuen Gewand in der Stadtkirche St. Jakobi zu Chemnitz.
Der Taufstein stammt aus Dresden und gelangte 1949 nach Chemnitz. Das pokalförmige Stück aus dem 17. Jahrhundert ist reich mit Pflanzenornamenten geschmückt. Darin eingebettet sind Darstellungen der Taufe Christi sowie der Kindersegnung.
Das große Kruzifix (Triumphkreuz) hängt seit 2009 über dem Kreuzaltar im Kirchenschiff. Der qualitätvolle Korpus mit Resten alter Fassung stammt aus dem 16. Jahrhundert. Der Schnitzer ist unbekannt. Zusammen mit Kanzel und Taufe gelangte auch das Kreuz erst nach 1945 in die Jakobikirche.
Im Chorraum befinden sich mehrere Gemälde, die einstmals zu Altären gehörten. An der Nordwand, über der Sakristeitür zwei große Bildtafeln mit Darstellungen der Apostel Bartholomäus und Petrus (Vorderseite) bzw. Franziskus und Ulrich (Rückseite). Die Malereien entstanden in der Zeit um 1500, ihr Schöpfer ist unbekannt. Unklar ist, ob sie tatsächlich aus der Jakobikirche stammen oder zum verlorenen Hochaltar der Chemnitzer Franziskanerkirche gehörten. Von der klassizistischen Ausstattung der Kirche um 1790 stammen mehrere Gemälde (südliche Seitenapside). Ihr Schöpfer ist Adam Friedrich Oeser (Leipzig). Im Zentrum die “Auferstehung Christi”, eine Zweitfassung des Hochaltargemäldes in der Leipziger Nikolaikirche. Dieses Bild war der Mittelpunkt des 1848 wieder beseitigten Hochaltares von St. Jakobi. Daneben zwei Medaillons mit Darstellungen von Moses und Christus als Vertreter des Alten und Neuen Bundes. Sie gehörten möglicherweise zu den ehemaligen Beichtstühlen.
v.l.n.r.: Bartholomäus, Petrus, Auferstehung Christi
Im Chemnitzer Schlossbergmuseum befinden sich einige Kunstgegenstände aus St. Jakobi als Leihgaben. Dazu zählt u. a. das berühmte “Heilige Grab”. Es wurde um 1480/1500 von einem unbekannten Künstler geschaffen. Das filigran gestaltete Gehäuse barg einst eine Figur des toten Christus. Die Standbilder außen am Schrein stellen die bei der Grablegung bzw. Auferstehung Jesu beteiligten Personen dar: Jünger, mehrere Frauen sowie die Grabwächter. Das “Heilige Grab” wurde in vorreformatorischer Zeit im gottesdienstlichen Ablauf der Karwoche eingesetzt. Später war es an unterschiedlichen Standorten der Kirche untergebracht. Nach umfangreicher Restaurierung kann das Kunstwerk seit 2001 im Schlossbergmuseum besichtigt werden. (Dr. Stefan Thiele)